Experten vor noch ein
Tor
Warum kommen wir in Sachen Bildung nicht voran und
zwangsläufig auch
nicht in all den Dingen, die mit Bildung zu tun haben? Warum glauben die einen, wir haben
Bildungsdefizite und andere kriegen Bauchschmerzen, wenn sie glauben
sich bilden zu müssen egal ob sie in der Schule oder zur
„Schulung“ antreten sollen? Warum
verursacht der Begriff Bildung hier Stress und da Gleichgültigkeit?
Die Gedanken
der
Bildungsexperten kreisen in einer Denkfalle. Viele schwören, sie wollen
das Bildungssystem verbessern, damit es endlich bessere Menschen aus
uns mache, dass wir gleiche Lebenschancen haben, das Armut und Elend
beseitigt werde und wir gesund, munter und guter Dinge durchs
Leben schreiten können.
Talkshows,
Politiker,
Experten, kaum jemand der nicht unser Bestes will. Alle geloben von
Montag bis Sonntag, von Januar bis Dezember, Jahr für Jahr, von Wahl zu
Wahl Besserung und Verbesserungen zu schaffen. Bildung sei das A und O:
lebenslanges Lernen dröhnt es pausenlos in unsere Ohren.
Und was ist bislang
dabei
herausgekommen? Der neueste Geck: „bildungsferne Schichten“ und ein
Kandidat für das Unwort aller Zeiten, das „Prekariat“. Allein
begrifflich
schon Meisterleistungen der Desinformation. Plötzlich schreien alle:
haltet den Dieb. Dabei haben sie die Geister selbst gerufen, die sie
nun nicht loswerden.
Die Denkfalle,
in
die alle tappen und in die wir arglos hineingestoßen werden ist im
Grunde ganz simpel: Bildung wird mit Ausbildung gleich gesetzt!
Wir (sollen) alle glauben, die
Schule
sei ein Hort der Bildung. Uns wird eingetrichtert: wir werden
glückliche erfolgreiche Menschen, wenn wir uns der Ochsentour des
Schulsystems anvertrauen.
Wenn dann etwas
schief läuft, so wird allen Ernstes
geglaubt, muss man nur ein wenig am System herum reformieren und alles
wird gut. Alles geschenkt. Das
Bildungssystem läuft im
Grunde optimal. Es tut genau das, zu was es geschaffen worden
ist: es
schult, es bildet aus, es drillt, es selektiert. Oft genug geht selbst das am Bedarf vorbei, weil
es in die Jahre gekommen
ist und die Bürokratie mit der Flickschusterei nicht schnell genug
hinterher kommt.
Trotzdem, es
gibt nichts Idealeres für das Anliegen, uns
einzutrichtern, was andere als gut uns sinnvoll für uns ausgetüftelt
haben und uns fernzuhalten von alldem, was unserer ganz persönlichen
Interessenslage entspricht.
Das ist genau das
Gegenteil
von Bildung. Mit etwas mehr echter Bildung würden all die klugen
Expertenköpfe erkennen, dass mit einem System von gestern, heute kein
Blumentopf zu gewinnen ist. Schulung
und Bildung vertragen sich
nicht. Schulung ist Zwang und führt zu Zwängen, Bildung ist frei, führt
zu Freiheit und gedeiht nur in Freiheit (zumindest im freien Kopf).
Schulung und
Ausbildung
laufen darauf hinaus, dass der geschulte und ausgebildete Mensch
funktioniert. Uns wird suggeriert, dass das Ergebnis
dieser Schulung Erfolg sei. Sicherlich
gibt
es eine Reihe erfolgreicher Menschen, die nicht nur funktionieren
sondern auch gebildet sind. Da darf man aber, wie in der Medizin,
getrost die Frage stellen: ist der Patient wegen oder trotz der
Therapie genesen.
Es ist eine Ironie,
dass das ursprüngliche preußische
Schulsystem als verfeinerter Reimport wieder zu uns zurück-
gekommen ist, modern frisiert mit "Bachelor" und "Master" als Großtat
der europäischen Bildungsminister 1999 in Bologna. Bezeichnenderweise
wurde mit dem Bachelor ein Begriff aus dem Mittelalter reanimiert.
Die Verschulung
wurde erfolgreich in den Hochschulbereich
übertragen. Widerstand gab es zwar. Der wurde aber niedergebügelt mit
so entlarvenden Argumenten wie jenen, dass die Studierenden sich nun
leichter im Studium zurecht finden könnten und schneller zum Abschluss
kämen. Im Klartext: nach der schulischen
Grundausbildung hält man die Leute für gar nicht mehr in der Lage,
eigene Entscheidungen zu treffen. Vor allem wird befürchtet, dass sie
sich nicht auf dem schnellsten Weg bei den Personalbüros zu melden und
das um jeden Preis.
Der bereits mehrfach
erwähnte amerikanische
Lehrer John Taylor Gatto hatte wohl auch deswegen
eine bessere Übersicht über das Bildungswesen, weil er
letztlich als Quereinsteiger zu diesem Job kam. Zuvor war er ein
erfolgreicher Werbefachmann. Sein
Wirken als kritischer Pädagoge steht im Wesentlichen in Englisch
zur Verfügung.
Die verstorbene Trainerin und vielseitige Autorin,
Vera
F. Birkenbihl, hat schon vor Jahren einen von Oliver Baillieu
übersetzten Text ims Netz gestellt. (Die Seite ist zur Zeit nicht erreichbar.)
Bevor er irgendwann
einmal ganz verschwindet, soll die
Übersetzung hier
dokumentiert und den vielen Eigentoren der Bildungsexperten
gegenübergestellt werden.
Wie und warum das allgemeine Bildungswesen
unsere
Kinder verkrüppelt
von
John Taylor Gatto
How
public education cripples our kids, and why
By John Taylor Gatto
(Übersetzung:
Oliver Baillieu)
Ich
lehrte die letzten 30 Jahre in einigen der schlimmsten Schulen von
Manhattan und in einigen der besten, und während dieser Zeit wurde ich
Experte in Sachen Langeweile. Langeweile war überall in meiner Welt,
und wenn Sie die Kinder gefragt hätten, so wie ich es oft tat, warum
sie sich so langweilten, gaben sie immer die selben Antworten: Sie
sagten, dass die Arbeit dumm war, dass es keinen Sinn machte, dass sie
es schon längst wussten. Sie sagten, dass sie etwas reales tun möchten,
nicht nur herumsitzen. Sie sagten, dass Lehrer anscheinend nicht sehr
viel über ihre Fächer wussten, und dass sie offensichtlich nicht daran
interessiert wären, mehr zu lernen. Und die Kinder hatten recht: Ihre
Lehrer waren genauso gelangweilt, wie sie es waren.
Langeweile ist der gemeinsame Zustand der Schullehrer,
und jeder, der
Zeit in einem Lehrer-Aufenthaltsraum verbracht hat, kann für die
niedrige Energie, das Wimmern, die niedergeschlagenen Einstellungen
bürgen, die dort zu finden sind. Wenn sie gefragt werden, warum sie
sich so langweilen, neigen Lehrer dazu… die Schuld auf die Kinder zu
schieben.
Wer würde sich
nicht langweilen, Schüler zu unterrichten, die unverschämt und nur an
Noten interessiert sind? Wenn das überhaupt der Fall ist.
Natürlich sind Lehrer selber Produkte des …
Schulprogramms, das seine Schüler so gründlich langweilt, und als
Schul-Belegschaft sind sie in noch rigideren Strukturen gefangen als
jene … der Kinder. Wer ist schuld? Wir alle sind es. Mein Großvater hat mir das
beigebracht. An einem Nachmittag, als ich sieben Jahre alt war, klagte
ich bei ihm über Langeweile, und er schlug mir hart auf den Kopf. Er
sagte mir, dass ich dieses Wort in seiner Anwesenheit nie wieder
benutzen dürfte, dass, wenn ich mich langweilte, es meine Schuld wäre
und nicht die eines anderen. Die Verpflichtung mich selber zu
unterhalten und zu unterrichten war ganz und gar meine. Menschen, die
das nicht wüßten, wären kindische Menschen, die man, wenn möglich
meiden sollte. …
Wir
könnten die besten Qualitäten der Jugendlichkeit fördern –
Neugierde,
Abenteuer, Belastbarkeit, die Kapazität für überraschende Einblicke –
einfach dadurch, dass man flexibler wäre, mit Zeit, Texten und
Prüfungen, dass man Kinder an wahrhaft kompeten-te Erwachsene
heranführt, und dass man jedem Schüler die Autonomie gibt, die er oder
sie benötigt, um gelegentlich ein Risiko einzugehen.
Aber
wir tun das nicht. Je mehr ich fragte, warum wir das nicht tun, und
darauf bestand, über das “Problem” des Schulbesuches, wie es ein
Ingenieur machen dürfte, nachzudenken, desto mehr hatte ich das
Wesentliche nicht begriffen:
Was,
wenn es gar kein “Problem” mit unseren Schulen gäbe? Was, wenn sie
so
sind, wie sie sind, so kostspielig raffiniert angesichts gesunden
Menschenverstandes und langer Erfahrung, wie man Kindern etwas lehrt,
nicht weil sie etwas falsch machen, sondern weil sie etwas richtig
machen?
Ist es möglich, dass George W. Bush versehentlich
die
Wahrheit sagte, als er sagte, wir würden “kein Kind zurücklassen”?
Könnte es sein, dass unsere Schulen darauf ausgelegt sind, sicher zu
stellen, dass keiner von ihnen jemals wirklich erwachsen wird?
Brauchen wir wirklich die Schule? Ich meine nicht
Schulbildung, sondern
aufgezwungene Schulung: sechs Unterrichtsstunden am Tag, fünf Tage die
Woche, neun Monate im Jahr, für zwölf Jahre. Ist diese tödliche Routine
wirklich nötig? Und wäre es so, für was? Verstecken Sie sich nicht
hinter Lesen, Schreiben, Rechnen als Begründung, weil zwei Millionen
glücklich zu Hause Unterrichteter diese banale Rechtfertigung mit
Sicherheit widerlegen.
Selbst wenn sie es nicht wären, eine beträchtliche
Zahl
von bekannten Amerikanern ging niemals durch die
zwölf-Jahre-Wringmaschine, die unsere Kinder momentan durchgehen, und
sie wurden alle etwas. George Washington, Benjamin Franklin, Thomas
Jefferson, Abraham Lincoln?
Jemand lehrte sie mit Sicherheit, aber sie ware
keine
Produkte des Schulsystems, und nicht einer von ihnen war jemals
Oberschulen-Absolvent. Fast durchwegs durch die amerikanische
Geschichte gingen Kinder im allgemeinen nicht zur High School, und doch
wurden die Ungeschulten Admiräle, wie Farragut; Erfinder, wie Edison;
Kapitäne der Industrie, wie Carnegie und Rockefeller; Schriftsteller,
wie Melville und Twain und Conrad; und sogar Wissenschaftler, wie
Margaret Mead.
In der Tat wurden bis vor kurzem Menschen, die das
Alter
von 13 Jahren erreichten, überhaupt nicht als Kinder angesehen. Ariel Durant, die an einem enormen und
sehr guten, mehrbändigen Weltgeschichtsband mit ihrem Ehemann Will
mitschrieb, heiratete glücklich mit 15 Jahren, und wer könnte halbwegs
behaupten, dass Ariel Durant eine ungebildete Person war? Ungeschult
vielleicht, aber nicht ungebildet.
Uns
wurde in diesem Lande gelehrt (d.h. geschult), dass “Erfolg” ein
Synonym für, oder zumindest abhängig von “Schulung” sei, aber
geschichtlich gesehen ist das nicht wahr, weder im intellektuellen noch
finanziellen Sinne. Und eine Menge Menschen auf der Welt finden
heutzutage einen Weg, sich selbst zu bilden, ohne in ein System von
zwangsmäßigen Oberschulen zu flüchten, die all zu oft Gefängnissen
ähneln.
Warum also verwechseln Amerikaner Ausbildung mit
solch
einem System? Was ist, genau gesehen, die Absicht unserer öffentlicher
Schulen?
Massen-Schulung einer zwangsmäßigen Art betrat
amerikanischen Boden
zwischen den Jahren 1905 und 1915, obgleich es viel früher ausgedacht
und im größten Teil des 19. Jahrhunderts durchgesetzt wurde. Der Grund
für diesen enormen Umbruch des Familienlebens und der kulturellen
Traditionen läßt sich grob in drei Punkte aufteilen:
1. Um gute Menschen
zu machen.
2. Um gute Bürger
zu machen.
3. Damit jede
Person sein oder ihr persönlich Bestes gibt.
Diese
Ziele werden heute weiterhin regulär angesteuert, und die meisten
von
uns akzeptieren sie in der einen oder anderen Form als eine anständige
Definition der Mission der öffentlichen Schulausbildung, wie
Kurzschulen es auch zu erreichen scheinen.
Aber wir liegen ja so falsch. Es ist eine
Tatsache, dass
wir unsere Fehler verschlimmern, dass die landesweite Literatur
zahlreiche und überraschend übereinstimmende Feststellungen von der
wahren Absicht der zwangsmäßigen Schulausbildung aufweist.
Wir
haben z.B. den großen H.L.Mencken, der in “The American Mercury”
vom
April 1924 schrieb, dass das Ziel der öffentlichen Schulausbildung
nicht sei, die Jungen der Spezies mit Wissen aufzufüllen und ihre
Intelligenz zu erwecken.
… Nichts könnte
entfernter von der Wahrheit sein. Das Ziel … ist einfach so viel
Individuen wie möglich auf den gemeinsamen, sicheren Level
herabzusetzen, um eine standartisierte Bürgerschaft auszubrüten und zu
trainieren, um abweichende Meinung und Originalität abzuwehren. Das ist
ihr Ziel in den Vereinigten Staaten … und das ist ihr Ziel überall
sonst.
Aufgrund Menckens Reputation eines Satirikers, könnten
wir
versucht sein, diese Passage als einen übertriebenen Sarkasmus
abzulehnen. Sein Artikel spürt jedenfalls die Vorlage für unser eigenes
Ausbildungssystem auf, und das geht zurück bis zu dem mittlerweile
verschwundenen, obwohl niemals vergessenen, militärischen
Preußen-Staat. Und obwohl er sich der Ironie sicherlich bewusst war,
dass wir unlängst mit Deutschland im Krieg standen, war Mencken
bezüglich des preußischen Gedanken- und Kultur-Erbes absolut ernsthaft.
Unser Bildungssystem ist im Ursprung wirklich
preußisch,
und das ist wirklich ein Grund zur Sorge. Die sonderbare Tatsache einer preußischen Herkunft
unserer Schulen taucht immer auf, sobald man weiß, wie man danach
sucht. William James wies am Ende der Jahrhunderts oft darauf hin.
Orestes Brown, der Held aus Christopher Laschs Buch “Der wahre und
einzige Himmel” (1991), prangerte öffentlich die Verpreußerung der
amerikanischen Schulen damals in den 1840-ern an. Horace Manns
“Siebenter Jährlicher Bericht” an den Massachusetts State Board of
Education im Jahre 1843 ist hauptsächlich ein Lobgesang an das Land
Friedrichs des Großen und ein Aufruf, seine Schulausbildung hierher zu
bringen.
Dass sich diese preußische Kultur lange in Amerika
abzeichnete,
ist kaum überraschend, angesichts unserer früherer Assoziation mit
jenem utopischen Staat. Ein Preuße diente als Berater Washingtons
während des Revolutionskrieges, und so viele deutschsprachige Menschen
hatten sich hier bis 1795 angesiedelt, dass der Kongress in Erwägung
zog, eine deutschsprachige Ausgabe der Bundesgesetze zu
veröffentlichen.
Aber was schockiert, ist, dass wir so eifrig eines
der
schlimmsten Aspekte der preußischen Kultur übernahmen: Ein
Ausbildungssystem absichtlich dafür konzipiert, um mittelmäßige
Geistesschärfe zu produzieren, um das innere Leben zu verkrüppeln, um
den Schülern nennenswerte Führungsqualitäten zu verweigern, und um
fügsame und un-vollendete Bürger zu garantieren, um das gemeine Volk
“kontrollierbar” zu machen.
Es
war
von James Bryant Conant – zwanzig Jahre Präsident von Harvard,
Giftgas-Spezialist im 1. Weltkrieg, Ausführender des
Atombomben-Projektes im 2. Weltkrieg, Oberkommissar in der
amerikanischen Zone in Deutschland nach dem 2. Weltkrieg, und wahrlich
einer der einflussreichsten Figuren des 20. Jahrhunderts – dass ich von
den wirklichen Absichten der amerikanischen Schulausbildung Wind bekam.
Ohne Conant würden wir wahrscheinlich nicht den
gleichen
Stil und Grad standartisierter Tests haben, wie wir sie heute genießen,
noch würden wir mit riesigen High Schools gesegnet sein, die zur selben
Zeit 2000 bis 4000 Schüler lagern, so wie die berühmte Colombine High
in Littleton, Colorado. Kurz nachdem ich aus dem Lehramt ausgeschieden
war, gabelte ich Conants buchlanges Essay aus dem Jahr 1959 auf (Das
Kind, der Elternteil und der Staat), und war mehr als ein bißchen
fasziniert, wie er beiläufig erwähnte, dass die modernen Schulen, denen
wir beiwohnen, das Ergebnis einer “Revolution”, ausgereift zwischen
1905 und 1930, waren.
Eine
Revolution? Er führt es nicht näher aus, aber er richtet die
Neugierigen und Uninformierten auf das Buch “Prinzipien der höheren
Schulbildung” von Alexander Inglis aus dem Jahr 1918, in welchem “man
diese Revolution durch die Augen eines Revolutionärs sah”. Inglis, nach dem eine Vorlesung über
Bildung an der Harvard University benannt worden ist, macht es völlig
klar, dass zwangsmäßige Schulbildungen auf diesem Kontinent dafür
gedacht waren, was es für Preußen in den 1820-ern war: eine fünfte
Kolonne in der bourgeoisen, demokratischen Bewegung, die damit drohte,
den Kleinbauern und den Proletariern eine Stimme am Verhandlungstisch
zu geben.
Moderne, industrialisierte, zwangsmäßige Schulbildung
sollte eine Art
chirurgischen Einschnitt in die angehende Einigkeit dieser Unterklassen
machen. Trenne Kinder nach Fachge-biet, nach Altersklassen, nach
konstanten Test-Rangordnungen und nach vielen anderen, noch
ausgetüftelteren Mitteln, und es war unwahscheinlich, dass die
unwissende Masse von Menschheit, getrennt in der Kindheit, sich jemals
in ein gefährliches Ganzes reintegrieren würde.
Inglis
gliedert die Absicht – die tatsächliche Absicht – der modernen
Schulausbildung in sechs elementare Funktionen, von denen jede
ausreicht, um die Haare der Unschuldigen zu Berge stehen zu lassen, und
um die drei, zuvor aufgelisteten, traditionellen Ziele zu glauben:
1.
Die verstellbare oder anpassungsfähige Funktion.
Schulen müssen feste Reaktions-Gewohnheiten gegenüber Autoritäten
etablieren. Dies schließt natürlich kritisches Beurteilen komplett aus.
Es zerstört außerdem so ziemlich die Idee, dass nützliches oder
interessantes Material gelehrt werden sollte, weil man reflexiven
Gehorsam solange nicht testen kann, bis man weiß, ob man es schaft,
dass Kinder etwas lernen und sie alberne und langweilige Sachen tun.
2.
Die integrierende Funktion.
Dies könnte gut “die Anpassungs-Funktion” genannt werden, weil ihre
Absicht ist, Kinder so gleich zu machen wie möglich. Menschen, die sich
anpassen sind vorhersehbar, und das nützt außerordentlich jenen, die
viele Erwerbspersonen nutzbar machen und manipulieren wollen.
3.
Die diagnostische und weisende Funktion.
Die Schule sollte die angemessene soziale Rolle eines jeden Schülers
beschließen. Dies wird getan, indem man Beweise mathematisch und
anekdotenhaft in kumulativen Aufzeichnungen protokolliert. So wie in
“deine permanenten Aufzeichnungen”. Ja, Sie haben eine.
4.
Die
differenzierende Funktion.
Ist einmal ihre soziale Rolle
“diagnostiziert”, müssen Kinder nach ihrer Rolle sortiert und nur so
weit trainiert werden, wie ihr Ziel in der sozialen Ma-schinerie es
verdient – und keinen Schritt weiter. So viel dazu, wie man Kinder dazu
bringt, ihr persönlich Bestes zu geben.
5. Die
selektive
Funktion.
Dies bezieht sich überhaupt nicht auf die menschliche
Wahlmög-lichkeit, sondern auf Darwins Theorie der natürlichen
Selektion, anwendungsbezogen auf das, was er “die begünstigten Rassen”
nannte. Kurz, die Idee ist, den Dingen auf den Weg zu hel-fen, indem
man bewusst versucht, die Aufzucht zu verbessern. Schulen sind dafür
da, den Untauglichen zu markieren – mit schlechten Noten,
Nachhilfeunterricht und anderen Strafen – klar genug, damit ihre
Gleichaltrigen sie als tieferstehend akzeptieren werden und sie in
wirk-samer Weise aus den sich reproduzierenden Wettspielen
ausschließen. Das ist, was all diese kleinen Erniedrigungen von der
ersten Klasse an zu tun hatten: Den Dreck wegzuwaschen.
6.
Die einführende
Funktion.
Das gesellschaftliche System, angedeutet von diesen Regeln,
wird eine elitäre Gruppe von Aufsehern erfordern. Zu diesem Zweck wird
eine kleine Fraktion von Kindern leise gelehrt werden, wie man dieses
anhaltende Projekt bewerkstelligt, wie man auf eine Population aufpasst
und sie kontrolliert, deren geistiges Niveau absichtlich so weit
ordnungsgemäß heruntergeschraubt wird, damit die Regierung unbestritten
weitermachen darf und Kapitalgesellschaften sie niemals für folgsame
Arbeit wollen würden.
Das ist
unglücklicherweise die Absicht der vorgeschriebenen öffentlichen
Schulbildung in diesem Lande. Und damit man Inglis nicht für einen
isolierten Spinner mit einer eher zu zynischen Einstellung gegenüber
dem pädagogischen Unternehmen hält, sollte man wissen, dass er kaum ein
alleiniger Vorkämpfer dieser Ideen war. Conant selbst,
aufbauend auf den Ideen von Horace Mann und anderen, kämpfte
unermüdlich für ein amerikanisches Schulsystem, welches nach den selben
Zügen konstruiert wurde.
Männer
wie George
Peabody, der die Sache der vorgeschriebenen Schulausbildung im ganzen
Süden finanziell unterstützte, verstand sicherlich, dass das preußische
System nicht nur im Erschaffen einer harmlosen Wählerschaft und einer
unterwürfigen Arbeiterschaft brauchbar, sondern auch einer virtuellen
Herde von geistlosen Verbrauchern war.
Rechtzeitig begriff
eine große Anzahl von Industrie-Titanen die enormen Profite, die man
hätte, wenn man gerade solch eine Herde durch öffentliche Schulbildung
kultivieren und pfle-gen würde, unter ihnen Andrew Carnegie und John D.
Rockefeller.
Da
haben Sie es.
Jetzt wissen Sie es. Wir benötigen nicht das Konzept von Karl Marx von
einem großen Klassenkampf, um zu sehen, dass es im Interesse komplexen
Managements ist, ökonomisch oder politisch, das geistige Niveau der
Menschen herunterzuschrauben, sie zu demoralisieren, sie von einander
zu trennen und sie wegzuwerfen, sollten sie sich nicht fügen.
Die
Klasse möge die
Absicht formulieren, so wie damals Woodrow Wilson, damaliger Präsident
der Princeton University, das folgende zur New York City School
Teachers Association im Jahr 1909 sagte: “Wir wollen eine Klasse von
Personen, die eine liberale Bildung haben, und wir wollen eine weitere
Klasse von Personen, eine sehr viel größere Klasse, der Notwendigkeit,
in jeder Gesellschaft, die auf die Privilegien einer liberalen Bildung
verzichtet und sich selber anpasst, um speziell schwierige, manuelle
Aufgaben auszuführen.”
Aber
die Motive
hinter den abscheulichen Entscheidungen, die diese Ziele
herbeiführen,
müssen überhaupt nicht klassen-basierend sein. Sie können völlig aus
der Angst herrühren oder aus dem mittlerweile geläufigen Glauben, dass
“Effizienz”, eher als Liebe, Befreiungskampf, Lachen oder Hoffnung, die
überragende Tugend ist. Vor allem können sie aus einfacher Gier
herrühren.
Es
gab
schließlich
gewaltige Vermögen zu machen, in einer Wirtschaft, die auf
Massenproduktion basiert, und organisiert ist, um die großen
Unternehmen eher zu begünstigen, als den kleinen Betrieb oder die
familiäre Farm. Aber Massen- produktion benötigte Massenverbrauch, und
am
Ende des 20. Jahrhunderts betrachteten die meisten Amerikaner es sowohl
als unnatürlich als auch unklug, Dinge zu kaufen, die sie nicht
wirklich brauchten.
Vorgeschriebene
Schulausbildung war da von Gott gesandt. Die Schule musste die Kinder
nicht in irgendeiner Richtung trainieren zu denken, dass sie nonstop
konsumieren sollten, weil sie sogar etwas besseres machte: Sie
ermutigte sie, überhaupt nicht zu denken. Und das ließ sie zur leichten
Beute der nächsten großen Erfindung der modernen Ära werden – Marketing.
Nun
müssen Sie
nicht Marketing studiert haben, um zu wissen, dass es zwei Gruppen von
Menschen gibt, die immer überzeugt werden können, mehr zu konsumieren,
als sie brauchen: Süchtige und Kinder. Die Schule hat einen ziemlich
guten Job gemacht, unsere Kinder in Süchtige zu verwandeln, jedoch hat
sie einen spektakulären Job gemacht, unsere Kinder in Kinder zu
verwandeln. Es ist wieder kein Zufall. Theoretiker von Plato bis
Rousseau bis zu unserem Dr. Inglis wussten, wenn Kinder mit anderen
Kindern abgeschieden werden könnten, von Verantwortung und
Unabhängigkeit entbunden, ermutigt nur die trivialsten Emotionen der
Gier, des Neides, der Eifersucht und der Angst zu entwickeln, würden
sie zwar älter wer-den, aber niemals wirklich erwachsen sein.
In
der
Ausgabe
seines ehemals sehr bekannten Buches “Öffentliche Schulbildung in den
Vereinigten Staaten” aus dem Jahr 1934 detaillierte und rühmte Ellwood
P. Cubberley den Weg, dass die Strategie der sukzessiven
Schulvergrößerungen die Kindheit um bis zu zwei bis sechs Jahren
ausweitete. Und Zwangs-Schulausbildung war zu jenem Zeitpunkt noch
ziemlich neu. Dieser selbe Cubberley – der Dekan der Stanford’s School
of Education, ein Buch-Herausgeber bei Houghton Mifflin und Freund von
Conant und Korrespondent in Harvard war – hatte das folgende in der
Ausgabe von seinem Buch “Öffentliche Schulverwaltung” des Jahres 1922
geschrieben:
”Unsere
Schulen
sind … Fabriken, in denen die rohen Produkte (Kinder) geformt und
gestaltet werden müssen … Und es ist die Angelegenheit der Schule,
seine Schüler entsprechend der festgeschriebenen Spezifikationen
zusammen zu bauen.”
Von
unserer
heutigen Gesellschaft aus gesehen, ist es völlig offensichtlich,
was
diese Spezifikationen waren. Bis jetzt wurde Reife aus fast allen
Aspekten unseres Lebens verbannt. Leichte Scheidungsgesetze haben die
Notwendigkeit an Beziehungen zu arbeiten beseitigt; leichter Kredit hat
die Notwendigkeit der finanziellen Selbstkontrolle beseitigt; leichte
Unterhaltung hat die Notwendigkeit des Lernens, sich selbst zu
unterhalten, beseitigt; leichte Ant-worten haben die Notwendigkeit
Fragen zu stellen beseitigt.
Wir wurden eine Nation der Kinder.
Glücklich geben wir unser Urteilsvermögen und unseren Willen an
politische Ermahnungen und kommerzielle Schmeicheleien ab, was
tatsächliche Erwachsene beleidigen würde.
Wir
kaufen
Fernsehapparate, und dann kaufen wir Dinge, die wir im Fernsehen
sehen.
Wir kaufen Computer, und dann kaufen wir die Dinge, die wir im Computer
sehen. Wir kaufen Turnschuhe für 150 Dollar, ob wir sie brauchen oder
nicht, und wenn sie zu früh auseinander fallen, kaufen wir ein neues
Paar. Wir fahren Geländewagen und glauben die Lüge, dass sie eine Art
von Lebensversicherung darstellen, sogar wenn wir in ihnen auf dem Kopf
sind. Und das Schlimmste von allen, wir schlagen kein Auge zu, wenn Ari
Fleischer uns sagt: “Paß auf, was du sagst!”. Sogar wenn wir uns
erinnern, dass uns irgendwann damals in der Schule gesagt wurde, dass
Amerika das Land der Freien sei. Wir kaufen auch das einfach ab. Unsere
Schulausbildung hat sich, wie beabsichtigt, um alles gekümmert.
Nun
zu
den guten
Nachrichten. Verstehen Sie einmal die Logik hinter der modernen
Schulausbildung, sind ihre Tricks und Fallen ziemlich leicht zu
umgehen. Die Schule trainiert Kinder auf Angestellte oder Verbraucher;
lehren Sie Ihre Eigenen, Anführer und Abenteurer zu sein. Die Schule
trainiert Kinder, reflexiv zu gehorchen; lehren Sie Ihre Eigenen,
kritisch und unabhängig zu denken. Gut geschulte Kinder haben eine
niedrige Schwelle der Langeweile; helfen Sie Ihren Eigenen, ein inneres
Leben zu entwickeln, damit sie sich niemals langweilen werden. Drängen
Sie sie, dass ernste Material aufzunehmen, das erwachsene Material, in
Geschichte, Literatur, Philosophie, Musik, Kunst, Wirtschaft,
Theologie – all diesen Stoff, den Schullehrer gut zu meiden wissen.
Fordern Sie Ihre Kinder mit reichlich Alleinsein heraus, so dass sie
lernen können, ihre eigene Gesellschaft zu genießen, damit sie innere
Dialoge führen können.
Gut
geschulte
Menschen müssen das Alleinsein fürchten, und sie suchen ständig
Begleitung, durch den Fernseher, den Computer, das mobile Telephon und
durch oberflächliche Freund-schaften, die schnell geschlossen und
schnell wieder verlassen werden. Ihre Kinder sollten ein
bedeutungsvolleres Leben haben, und sie können es haben.
Zunächst
jedoch
müssen wir aufwachen, damit wir sehen, was unsere Schulen wirklich
sind: Laboratorien mit Experimenten, die sich dem jungen Geist widmen,
Pauk-Center der Ge-wohnheiten und Haltungen, die die
Konzerngesellschaft verlangt. Gezwungene Schulbildung dient den Kindern
nur zufällig; ihre wahre Absicht ist, sie in Diener zu verwandeln.
Erlauben
Sie Ihren
Eigenen nicht, ihre Kindheit zu verlängern, nicht mal für einen Tag
lang. Wenn David Farragut mit unter zehn Jahren das Kommando eines
eroberten britischen Kriegsschiffes übernehmen konnte, wenn Thomas
Edison im Alter von zwölf ein Flugblatt veröffentlichen konnte, wenn
Ben Franklin im selben Alter sich selber zum Drucker ausbildete (dann
schickte er sich selber durch ein Studium, was einen Yale-Studenten
heutzutage rot anlaufen lassen würde), dann gibt es nichts zu sagen,
was Ihre eigenen Kinder tun könnten.
Nach einem langen Leben, und
dreißig Jahren in den öffentlichen Schulgräben, kam ich zu dem Schluß,
dass Genie so alltäglich ist, wie Schmutz. Wir unterdrücken unser Genie
nur, weil wir noch nicht herausgefunden haben, wie man eine Bevölkerung
gebildeter Männer und Frauen handhabt. Die Lösung, denke ich, ist
einfach und glorreich. Lassen Sie sie sich selbst führen.
In der nächsten Folge
werden wir uns
anschauen, welche Feinde unseres Wohlstands sich bereits formiert haben.
Von Gatto ist auf Deutsch nur ein
Buch erschienen:
Verdummt
nochmal! (Dumbing us Down)
Der unsichtbare
Lehrplan
oder
Was Kinder in der
Schule wirklich lernen
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